Junger Ankauf
Bojan Šarčević - Miniatures / Working Surface I
2006
Beide Werke, die sich nun in der Sammlung des Museum Ludwig befinden, besitzen sowohl einen Sinn für historische Herkunft als auch für gegenwärtigen Ablauf, erlauben sich dabei jedoch immer Korrekturen, bauen kritischen Abstand und Verschiebung ein.
Miniatures, 2003
Die Video-Projektion Miniatures, 2003 zeigt ungeschnittenes Filmmaterial, das entstanden ist, als der Künstler morgens durch Seine-Saint-Denis, eine multikulturelle Arbeitervorstadt von Paris, gefahren ist. Zu sehen ist die unscheinbare Architektur des ökonomischen Rationalismus: Sozialwohnungen, Geschäfte und Fußballstadion. Schlicht und entnervt lässt es der Künstler zu, dass die Windschutzscheibe während der Fahrt beschlägt. Dann zeichnet er mit dem Zeigefinger Linien in den Dunst auf der Scheibe und scheint so teilweise die fragmentierten Konturen von Gebäuden und Infrastruktur nachzuziehen. Während der Titel Miniatures offensichtlich auf die christliche Tradition des mit ausgemalten Buchstaben und Bildern verzierten Manuskripts verweist, sind die Linien, die der Künstler übers Glas zieht, auch schon mit den sich rechtwinklig ineinanderschiebenden Ornamenten der islamischen Kufic-Kalligraphie verglichen worden. Als er die Lüftung wieder einschaltet, verschwindet die Komposition binnen Sekunden und der Film endet.
Working Surface I, 2004
Die Skulptur Working Surface I, 2004 besteht aus einer schwarzen Granitplatte, die, wie eine Bank, auf einen Stahlrahmen montiert ist. […] Die Platte ist mit einem Gewirr von Linien und Kreisen überdeckt, denn sie war, wie die Kritikerin Jennifer Allen angemerkt hat, die Bergarbeiter-Version eines Metzgerei-Hackbretts. Auf der Platte wurden jahrelang für den Bau bestimmte Granitstücke geschnitten. In beiden Werken legen sich jeweils unterschiedliche Zeitskalen übereinander, hier Spuren der Arbeit, da die der Laune, hier ein Sinn für Beständigkeit, da einer von Vergänglichkeit.
Text: Dominic Eichler aus der Publikation „Junger Ankauf“, Köln 2012