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Carolyn Lazard - Extended Stay

2022

Carolyn Lazard wurde 1987 in Upland, Kalifornien geboren und lebt in Philadelphia und New York, USA. In Lazards vielfältige künstlerische Praxis fließen eigene Erfahrungen als afroamerikanische und chronisch erkrankte Person ein. Konzepte von Körperlichkeit, Wahrnehmung und Partizipation untersucht sie im Hinblick auf institutionalisierte Pflege, das Gesundheitssystem und die kapitalistische Gesellschaftsordnung. Dabei nutzt Lazard unterschiedlichste Medien, wie Performance, Film, Skulptur, Fotografie und Installation. Nicht selten entstehen die Werke aus gemeinschaftlichen Ideen und Arbeiten im Kollektiv sowie im Zusammenhang mit selbst veröffentlichten Schriften. Carolyn Lazards Kunst wurde bereits in einer Vielzahl internationaler Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt. Dazu zählen das MMK, Frankfurt am Main, der Kunstverein Braunschweig, Walker Art Center, Minneapolis, USA, die 59. Biennale di Venezia, MoMA New York, USA, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, Palais de Tokyo, Paris und die Whitney Biennial des Whitney Museum of American Art, New York, USA.

Extended Stay, 2019
Extended Stay, 2019 © Guido Schiefer

Extended Stay, 2019, Medizinische Gelenkarmhalterung, persönlicher Patientenmonitor, deutsches Standard-Kabelfernsehen; unendliche Dauer

Carolyn Lazard‘s Extended Stay besteht aus einer Gelenkarmbefestigung, die von der Wand in den Raum hineinragt und in medizinischen Einrichtungen zum Einsatz kommt. An ihrem Ende ist ein Monitor befestigt: Es läuft Deutsches Fernsehen. Das Programm in Echtzeit wechselt im 90-Sekunden-Takt zwischen den öffentlichen und privatrechtlichen Sendern. Eine Bank vor dem persönlichen Krankenhausdisplay lädt dazu ein, die Perspektive der Patient:innen einzunehmen. Die Praxis des Fernsehschauens verbindet verschiedenste Gruppen von Menschen und Rezeptionskontexte – insbesondere während der Covid-19-Pandemie. Extended Stay jedoch kehrt die allgemeine Erwartungshaltung nach Entspannung und Ablenkung um: Das gezeigte Programm wechselt so schnell und scheinbar unkontrolliert von einem Sender zum nächsten, dass das Betrachten zum Stressfaktor wird – ebenso wieder Zustand des Krankseins als echte oder gefühlte Dauerschleife. Die Arbeit evoziert zudem ein Gefühl der Langeweile, welches in starkem Kontrast zu den stereotypischen melodramatischen Darstellungsweisen des Krankenhausgeschehens in vielen Fernsehsendungen steht. Als Gegenentwurf dazu rückt Extended Stay wirklichkeitsnahe, alltägliche Aspekte von Krankheit in den Fokus. Der Bildschirm zeigt kein Happyend wie die Serien, sondern erlaubt Parallelen zu dem fortlaufenden, oft widersprüchlichen und beschwerlichen Prozess der Genesung.

Carolyn Lazard setzt sich in ihren Werken mit den hegemonialen und kapitalistischen Abhängigkeitsverhältnissen im Gesundheitswesen auseinander und erweitert die Kritik auf den Kunstbetrieb. Gleichzeitig wird in Kunst-Institutionen aktuell die Debatte um Zugänglichkeit und werden die Belange von Angehörigen marginalisierter Gruppen in den Blick genommen. Lazards Arbeiten verdeutlichen die physischen und ethischen Grenzen von Kunstinstitutionen, die mehr und mehr den Anspruch erheben, sozial zugänglich und vielfältig zu sein. Was bedeuten Zugänglichkeit und Abhängigkeit, Voyeurismus und Intimität, Kontrollverlust und Isolation für einzelne Individuen und marginalisierte sowie strukturell diskriminierte Menschen im Besonderen?

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